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Todo lo que cuenta en Cuenca

Alles, was in Cunca zählt, ist nach Aussage einer waschechten Cuencana Ehrlichkeit, Vertrauen und Wissen, wie sie uns bei einigen Gläschen Canelazo, einem alkoholhaltigem Heißgetränk aus Wasser, Zimt und Zucker, dem Nachtschattengewächs Naranjilla und Schnaps, erzählte. Interessant und gar nicht mal so weit von unseren Vorstellungen der wichtigsten charakterlichen Qualitäten bzw. unseren Werten entfernt. Für mich waren die größten Aufreger in Cuenca vergangenes Wochenende zu allererst der nahgelegene Parque Nacional El Cajas, außerdem die Studentenszene und der Handydiebstahl.

Vergangene Woche gab es gleich zwei Feiertage, den Día de Difuntos (Allerseelen) und den Día de independecia de Cuenca (Unabhängigkeit von Cuenca), sodass das Wochenende mit den feriados schon am Donnerstag begann. Simon, ein Freiwilliger aus München, mein Gastbruder Joseseine Freundin Katie und meine Wenigkeit machten uns also am Donnerstagmorgen in aller Frühe auf, um dem Urlauberstrom zu entfliehen. Destinación Cuenca.

V.l.n.r.: Simon, Katie, Jose und meine Person

Als wir am Terminal Terrestre ankamen, konnten wir es kaum fassen: Morgens um sechs Uhr gab es schon Schlangen, die mehr als zwei Stunden Wartezeit versprachen, der Busbahnhof war rappelvoll. Damit hatte keiner gerechnet. Wie gut, dass wir mit locals unterwegs waren! Jose führte uns zu einem nahgelegenem kleinerem Busunternehmen, das gerade noch drei Plätze frei hatte. Uffz, geschafft!

Auf der Fahrt, die über das Cajas-Gebirge führte, wollte ich eigentlich noch etwas Schlaf nachholen, doch die atemberaubende Umgebung raubte mir diesen: Erst stachen wir, vom Trockenurwald umgeben, aus der Wolkendecke; man fühlte sich wie im Flugzeug. Später, nachdem wir die Schranke des Wachpostens zum Nationalpark mit einem Wink des Wachmanns passiert hatten, bestach die Landschaft durch spektakuläre Felsformationen, unbewaldete Gipfel und schachtelförmige Täler (caja=Schachtel). Mir war klar: Ich muss da hin! Zum Wandern!

 

Erst richteten wir uns allerdings in Cuenca ein, was sich als einigermaßen schwierig herausstellte, da auch hier die Touristen in Scharen kamen und viele Hostals ausgebucht waren. Schlussendlich blieben wir im Hostal Astoria, das in Terminal-Nähe außer eines freundlichen Besitzers nicht viel zu bieten hatte: Die fensterlosen Zimmer stapeln sich auf vier Etagen ohne viel Ambiente. Und obendrein zahlten wir $15 pro Nacht.

Am Nachmittag besichtigten wir die Stadt, sahen uns die große Kathedrale an und retteten uns vor dem Regen (mein erster Regen in Ecuador!) in den mercado 10 de agosto, in dem wir einige Fetzen eines ganzen (sic!) Schweins mit – na, was wohl? – Reis zu uns nahmen.

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Später fuhren wir noch zu einem nahgelegenen mirador, der auf einem Hügel lag und beobachteten die einbrechende Dunkelheit. Gegen Abend suchten wir uns eine Kneipe, in der wir bei einigen Bierchen mit Jose die Lage der Musikschule besprachen. Das Urteil fiel eher negativ aus, die zur Wahl stehenden coordinadores für die Periode 2018-2020 gefielen allen nicht wirklich und andere Faktoren, die den Rahmen dieses Blogs sprengen würden, ergaben ein eher tristes Bild. Aber keine Sorge, die Musikschule wird weiterhin Bestand haben und ich gehe nach wie vor gerne hin.

Anschließend ging es zurück zum großen Platz vor der Kathedrale, wo inzwischen anlässlich des Feiertags eine große Bühne aufgebaut war und eine riesige Menschenmenge zu einem öffentlich zugängigen Salsa-Konzert tanzte. Die Stimmung war gut, die Musik ebenso, es wäre sicherlich eine famose Nacht geworden – wenn ich mir nicht nach einem besonders wilden Gedränge in die Hosentasche gefasst hätte. Maldito, dachte ich, denn ich fühlte nur den leeren Innenstoff meiner Leinenhosentasche. Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder: Man hatte mir das Handy gestohlen!

Nun ist es wichtig, zu wissen, dass ich erst ein Smartphone besitze, seit ich diese Reise angetreten habe und darüberhinaus eine besondere, wenn nicht konfliktgebeutelte Beziehung zu diesen Ersatzgehirnen der Neuzeit habe. Ich war, bis ich nach Ecuador geflogen bin, ein konsequenter Smartphone-Verweigerer und telefonierte immer auf einem alten Steinzeit-Knochen. In Ecuador tauchte ich voll in diese digitale Welt ein, lud mir WhatsApp herunter und genoss zugegebenermaßen auch die erleichterte Kommunikation untereinander, aber auch nach Deutschland. Mein Status-Spruch lautete: Cons goes digital.

Und jetzt wurde das blinkende Ding geklaut und alles war wieder auf den Prüfstein gestellt. Ich nahm es als Zeichen Gottes, sei es Schicksal oder Fügung – ich und Smartphone, das sollte einfach nicht sein. Also heißt es Chao Erreichbarkeit und erleichterte Kommunikation. Chao enger Kontakt zu Deutschland. Chao Fotoapparat, Karte und Telefon in einem Gerät.

Aber auch Chao Unverbindlichkeit, Absagen in letzter Sekunde und schwammige Vereinbarungen. Chao Impotenz durch erhöhte Strahlung! Hola mehr Zeit für spanisch lernen oder im Hier und Jetzt leben. Hola klassische Kommunikation und neue Begnungen. Tjaja, ein zweischneidiges Schwert…

Der Abend war dann mehr oder weniger gelaufen: Wir suchten noch verzweifelt in der Kneipe, hoffend, das Handy sei mir einfach aus der Tasche gefallen, aber vergebens. Zurück im Hostal war zumindest bei mir die Stimmung ziemlich im Keller, das Handy war weg, das Hostal schlecht und teuer, ich dachte schon darüber nach, den Blogbeitrag Cuenca – das Pannenwochenende zu titulieren.

Doch am nächsten Tag (Freitag) stieg die Laune schon wieder, als wir uns nachmittags mit Maya, Lennart, Hans und Jonathan aus Olón trafen. Sie kamen nach Cuenca, um an einer reunión für soziale Projekte in Ecuador am Samstag teilzunehmen und um Cuenca am feriado  zu erleben. Jonathan und die anderen Deutschen konnten bei Simon, Jonathans Freund aus Cuenca, übernachten und dieser führte uns an diesem Abend durch die Stadt. Bis wir uns allerdings getroffen hatten, mussten (der deutsche) Simon und ich uns noch am Flussufer gedulden – schwammige Absprachen und so.

Nichtsdestotrotz lohnte sich diese kurze Verschnaufpause, da wir so eine Gruppe von argentinischen Straßenmusikern kennenlernten, die sich am Flussufer für die umsatzfreudige Zeit des Abendessens mit Gitarrengeklimper uns Marijuana vorbereiteten. Wir plauderten ein wenig und luden sie spontan ein, in Guayaquil bei Clave de Sur vorbeizuschauen.

Verschnaufpause am Flussufer

Das Tolle am ecuadorianischen Simon war, dass er ein local war und sich in Cuenca auskannte. So führte er uns nach dem Feuerwerk, das anlässlich des Unabhängigkeitstages abgefeuert wurde, mit sicherer Hand in eine coole Bar, in der sich die alternative Szene von Cuenca traf, so jedenfalls mein Eindruck. Junge Leute, Freaks mit bunten Haaren, Hipster mit 80er-Jahre-Jacken und Hornbrillen tummelten sich hier. Auch das Klo mit der Banane und der Papaya für die Geschlechterzuweisung sei hier erwähnt. In dieser Bar führte ich auch jene Konversation, die als Aufhänger für diesen Blogbeitrag  dient. Außerdem lernten wir Edu kennen, der als wir mit unserer Wanderidee für Samstag rausrückten, gleich Feuer und Flamme war und uns anbot, mitzukommen und uns die besten rutas zu zeigen.

Er erzählte auch, dass ich nicht der einzige gewesen bin, dem am Donnerstagabend das Handy gestohlen wurde. Scheinbar hatte sich ein Gruppe organisierter Kleinkrimineller in die Menschenmasse gemischt.

Die Wanderung am nächsten Tag war ein Traum; die Bilder sprechen für sich. Die vielen Lagunen, die sich sanft in die Bergwelt schmiegen, gefielen mir sehr. An einer Stelle, an der ein kleiner Bach in eine Art Whirlpool floss, konnte ich nicht anders: Ich musste ins kühle Nass!

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Als wir an der Straße zurück nach Cuenca ankamen, hatten wir alle noch Lust, ein Bisschen weiter zu wandern und so schauten wir auf Simons App Locus nach und fanden alsbald einen tollen Weg, der uns zurück zum Ausgangspunkt brachte.  Dieser Weg brachte abermals noch tollere Ausblicke, die selbst Edu noch nicht kannte. Wir entdeckten eine versteckte Lagune, die einen perfekten natürlichen Sprungturm bot, von dem wir unbedingt am Sonntag springen wollten. Denn so viel stand fest: Den Lago Secreto wollten wir noch von der anderen Seite her erwandern.

Lago Secreto

Später am Abend verfärbten sich das Licht und die Wolken, die sich über die Bergrücken zu schleppen schienen und boten ein Fotoparadies für Simon.

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Leider kam mit dem verfärbten Licht auch langsam aber sicher das Kopfweh – den Unterschied von den 2.500 Meter, auf denen Cuenca liegt und den immerhin 3.800 Metern, auf denen wir uns bewegten, spürte man eben doch. Die Opfer der Samstagstour: Ein Kamera-Accessoir von Simon und Edus Mütze.

Abends entschieden wir, zugunsten unserer Kopfschmerzen, auf das abendliche Ausgehen mit den Olón-Partylöwen zu verzichten. Am nächsten Tag wollten wir fit für die nächste Tour sein, also entschieden wir uns, in unserer fensterlos-finstren Höhle zu bleiben, die heute-Show zu glotzen und früh schlafen zu gehen. Bis wir tatsächlich schliefen, wurde es aber natürlich trotzdem kurz vor zwölf…

Am Sonntag musste Edu leider aufgrund von (Höhen-) Krankheit oder Kater (er hatte sich noch mit den compadres aus Olón getroffen) absagen, also machten wir uns selbst auf den Weg. Auf der anderen Route, die sogar die 4.000-Meter-Marke knackte, machten wir Bekanntschaft mit Ansu, einer Amerikanerin mit indischer Abstammung, die in Deutschland geboren ist, und somit mit uns deutsch sprechen konnte. That’s globalisation!

V.l.n.r.: Meine Wenigkeit, Ansu und Simon

Auf der Wanderung begegneten wir einer reitenden Familie, die wohl aus einem abgeschiedenen Bergdorf kommend den Sonntagseinkauf im Tal erledigen wollte. In solch einem Bergdorf, ging mir durch den Kopf, muss das Leben noch mal einfacher als im Guasmo sein. Später erreichten wir einen Wasserfall, den ich spontan als Dusche nutzte. Aus dem harten und kalten Wasserstrahl kommend, fühlte ich mich quicklebendig und spürte das Leben in jeder Faser.

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Für den Sprung in den Lago Secreto reichte die Zeit dann leider nicht. Wir mussten noch unseren Kleinbus in Cuenca kriegen. Außerdem musste ein zweiter Kälteschock bei der dünnen Bergluft auch nicht unbedingt sein. Aber geil wär’s schon gewesen…

Als auf der Heimreise sogar der Vollmond sein Antlitz zeigte, dachte ich, man müsste in diesem tollen Nationalpark, der gar nicht so weit von Guayaquil entfernt liegt, unbedingt mal zelten. Die umliegenden Gipfel, die ich vom Beifahrersitz aus betrachten konnte, waren so schön schaurig-romantisch vom Mond beleuchtet, dass ich unbedingt wiederkommen wollte.


Dies war ein Eintrag aus dem Blog von Constantin Siebert. Zu weiteren Einträge geht’s hier.

 

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