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Gewalt in Ecuador

Seit dem 9. Januar erleben wir in Ecuador eine neue Gewalteskalation. Das vom Präsidenten unterzeichnete Dekret 111 ruft einen „internen bewaffneten Konflikt“ aus und hat eine enorme Militarisierung zur Folge. Ecuador hat sich in wenigen Jahren von einem der sichersten, zum gefährlichsten Land der Region gewandelt. Mit 45 Morden pro 100.000 Einwohner verzeichnet es einen prozentualen Anstieg von über 500% im Vergleich zu 2019. Damit ist Ecuador auf der Statistik führend und überholt Länder wie Mexiko und Brasilien mit traditionell hohen Mordraten. Seit einiger Zeit schreibt der gewaltgeprägte Alltag in Ecuador sogar in deutschen Medien Schlagzeilen. So auch am 09.01., als ein Fernsehteam von TC Televisión vor laufender Kamera von Drogenbanden als Geiseln genommen wurde. Dem voraus ging das Verschwinden von „Alias Fito“, Drogenboss und Anführer der Bande „Los Choneros“ aus einem Gefängnis in Guayaquil. Kriminelle übernahmen den Fernsehsender, Fahrzeuge wurden angezündet und Gefängnispersonal als Geiseln genommen.

Was passiert gerade in Ecuador? In nur wenigen Jahren ist Ecuador vom zweit sichersten Land der Region zu einem der Länder mit der höchsten Mordrate des Kontinents geworden. Die staatliche Vernachlässigung, die Pandemie und eine neoliberale Politik mit drastischen Sparmaßnahmen haben dazu geführt, dass sich der Drogenhandel in Ecuador ausbreiten konnte und junge Menschen, die hauptsächlich aus sozial weniger privilegierten Schichten stammen, von kriminellen Organisationen angeworben werden. Ecuador ist zu einer strategischen Enklave für die Lagerung, den Vertrieb und die Ausfuhr von Kokain nach Europa und in die USA geworden. Banden mit Verbindungen zu großen internationalen Kartellen kämpfen um die Kontrolle des Territoriums und der Drogenhandelsrouten in einem Krieg, der zu Dutzenden von Massakern in Gefängnissen und einer Welle der Unsicherheit auf den Straßen geführt hat. Politische Eliten und Personen aus dem Sicherheitsapparat sind bereits vom Drogenhandel korrumpiert. Die staatlichen Strukturen in Ecuador sind marode und von Korruption durchzogen.

Seit Langem reagieren Ecuadors neoliberale Regierungen auf die steigende Gewalt mit dem Verhängen von Ausnahmezuständen. Die letzten drei Regierungen haben das gleiche Rezept einer harten Linie und des Ausnahmezustands, ohne wirksame Ergebnisse angewandt. Unter Präsident Lasso wurde elfmal der Ausnahmezustand ausgerufen, wodurch sich die Situation allerdings nicht verbesserte. Das nun verabschiedete Dekret 111 gibt der Polizei und dem Militär einen Freibrief und schwächt die Menschenrechte im ganzen Land. Das trifft natürlich nicht nur die Drogenhändler, sondern auch die vulnerabelsten Bevölkerungsteile: rassialisierte, dissidente und verarmte Menschen. Die neoliberale Politik von Präsident Noboa und die Rhetorik „Ecuador vs. den Drogenhandel“, die verschleiert, inwiefern Mitglieder des Staatsapparats selbst von dem Geschäft mit illegalen Substanzen profitieren, birgt die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung der Situation. Dazu kommt jetzt auch noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, was die ärmeren Bevölkerungsschichten besonders belastet und die Einmischung der USA. Beispiele wie Mexiko und Kolumbien zeigen, dass der „Krieg gegen die Drogen“ Millionen von Dollar gekostet und die Bevölkerung nicht von blutigen Gewaltexzessen befreit hat.

Glücklicherweise sind die Straßenzüge, in denen sich die Musikschule befindet bisher von größeren Gewalteskalationen weitestgehend verschont geblieben. Leider ist aber Guayaquil als größte Hafenstadt Ecuadors massiv von den Drogenkonflikten betroffen. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit der Musikschule Clave de Sur wichtiger denn je. Denn Musik und kulturelle Bildung können eine alternative Antwort auf die steigende Gewalt geben. Die Musikschule bietet einen Ort, an dem Emotionen ausgedrückt, Gemeinschaft gebildet und Freizeit außerhalb der gewaltgeprägten Straßen verbracht werden kann. Für uns ist klar: Die Arbeit in Clave de Sur muss unbedingt weiter gefördert werden. Es ist jetzt wichtiger denn je einen Safe Space für Menschen aus dem Guasmo herzustellen, an dem die gegenseitige Unterstützung, Inspiration, Spaß, Trost und Musik im Vordergrund steht.

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