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Die Weihnachtslieder-Orgie

Schwups, schon ist es so weit: Der letzte proceso (Arbeitsphase) des Jahres 2017 ist vorüber. Feierlich abgerundet wurde dieser Abschnitt mit einer Musikorgie von wagnerschem Ausmaß: Drei einhalb Stunden Weihnachtslieder-Dröhnung

 

Die Vorbereitung gestaltete sich mannigfaltig: In der gesamten Woche wurden sämtliche Stundepläne über den Haufen geworfen, um die glücklichen Auserwählten fürs Konzert zu preparieren. Außerdem wurde ich äußerst spontan für ein Balett-Duo engagiert. Die Schwester meiner Klavierschülerin, die sehr passioniert Balett tanzt, strebt im folgenden proceso an, Tanzstunden zu geben. Um dafür zu werben, wollte sie eine kleine Show am Konzert darbieten. Eigentlich am liebsten mit Tanzpartner, allerdings ist sie eher von kleiner Statur, sodass einige zu große Tanzpartner ausschieden. So zum Beispiel Robin.

So kam es, dass sie mich nach einer Klavierstunde ihrer Schwester fragte: „Te gusta bailar?“ (Magst du tanzen?) Ich konnte nicht Nein sagen und so lernten wir aus dem Stehgreif eine Choreografie ein, in der sie selbstverständlicher Weise mehr als ich zu tun hatte, aber nach zwei Stunden Hoch- und Runtergehebe und -gestütze war ich auch ganz schön am Ende.

Am Tag des Konzerts kulminierte das vorweihnachtlich-emsige Gewusel, die Bühne wurde aufgebaut, das Auditorio, die große offene Halle im 2. Stock von Clave de Surdie sich bis auf den starken Seewind hervorragend für Konzerte eignet, wurde geputzt (Nein, das Taubenproblem hat sich nicht von alleine gelöst), sämtliche Technik und Instrumente wurden aus dem Estudio (Studio) ein Stockwerk höher ins Auditorio befördert, Dekoration wurde gehängt, Stühle wurden gestellt und auch der kitschige Plastikweihnachtsbaum bekam seinen Platz am Bühnenrand.

Wenn man das Programm in einem Wort beschreiben sollte: Lang.

Im Einzelnen ging es mit den verschiedenen Schülern los, die primär Weihnachtslieder zum Besten gaben. So hatten wir insgesamt drei verschiedene Versionen von Navidad, Navidad (Jingle Bells). Wir gaben uns Mühe, viele Ensembles zu formen, allerdings war die Mehrheit der Stücke in Einzelbesetzung zu hören. So hörten wir viele Klavier-, Gitarren-, Geigen-, Trompeten-, Gesangs-, und Schlagzeugschüler.

Anschließend folgte der Werbeblock: Die Baletteinlage, die begeistert aufgenommen wurde.

Darauf folgten die großen Gruppen: Die Geigengruppe Los Violines del Sur (Die Geigen des Südens), die mit der Filmmusik von „Der Herr der Ringe“ auftrumpfte.

Die Vientos (Bläser), die Simon und ich in wochenlanger Schweißarbeit zu einer passablen Salsa-Version von Navidad, Navidad gebracht haben.

Danach kam die qualitative Überraschung des Abends: Die Jazz-Band GuaJazz, die durch Special Support von Marleen extrem profitierte und eine groovy Version von The Chicken zum Besten gab.

Daran schloss die Rapgruppe Rapflektion mit ihrem Song Decadencia und dem evergreen Cuando pienso en ti an und machte ordentlich Stimmung.

Danach kam unsere Band, die heute als La Banda Perdida (Die verlorene Band; unsere Namen wechseln schneller als der Schall) auftrat. Meiner Meinung nach feierten wir hier mit Vicious Crown (Naked Superhero) und Two Shoes (Cat Empire) unseren bisher größten Erfolg. Das Publikum war aus dem Häuschen, wir waren in Bestform und hatten großen Spaß.

Der Rausschmeißer war Jorge y su combo (Jorge und seine Combo), eine Cumbia-Band, die für das Konzert wiederbelebt wurde und an der auch mein Gastbruder Jairo an den Timbales mitwirkte, der meinte: Somos un poquito oxidado. (Wir sind ein weing eingerostet)

Die Band machte nichtsdestotrotz gut Stimmung und irgendwann hielt es Badman und mich, angestachelt von Partylöwe Albaro nicht mehr auf den Sesseln. Einige Minuten später tanzte das halbe Publikum – was eine Orgie!

Die Frage, ob man das Programm besser gekürzt hätte, würde ich negieren. Klar, hatte es seine Längen, jedoch denke ich, dass ein Auftritt vor einer großen Menschenmenge, egal bei welchem Resultat eine wichtige Erfahrung ist. Auch außerhalb der Musik wird man irgendwann im Leben in die Situation kommen, sich präsentieren zu müssen. Wer da schon auf einer Bühne gestanden ist, hat definitiv gewonnen. Außerdem hat sich das Publikum nicht geniert, sich auch mal von der Dauerbeschallung durch Gespräche oder Handyspiele abzulenken, was ich nicht schlimm fand. Die aufmerksame Publikumshaltung gehört eben in andere Kulturen.


Dies war ein Eintrag aus dem Blog „Cons entdeckt Ecuador“

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